Geschichte des Bezirksvereins Martinsviertel


Am 21. März 1952 trafen sich auf Einladung des bereits 70jährigen „Borjemasders vom Watzeverdel“ Georg Hahn, des legendären und unvergessenen „Hahne-Schorsch“, 27 Herren in Anzug und Krawatte in der damaligen Restauration Klöpfer in der Pankratiusstraße 71, um den altehrwürdigen „Bezirksverein Martinsviertel“ wieder ins Leben zu rufen.


Gegründet wurde der Bezirksverein Martinsviertel, wie dem Darmstädter Tagblatt vom 17.2.1894 zu entnehmen ist, am Donnerstag, den 15.2.1894 im Jakob Fey’schen Saale im Hinterhof des Anwesens Pankratiusstraße 29.

Initiator und erster Vorsitzender des Bezirksvereins Martinsviertel, dessen Vereinszweck „die Hebung des Martinsviertels“ war, war der 1855 geborene Kaufmann Johann Heinrich Möser, ein Mitglied der ältesten und im Watzeverdel am weitesten verbreiteten Bauernfamilie. Nachdem er in der Landwirtschaft der Eltern tätig war, betrieb er in seinem Hause Ruthsstraße 16 (später neue Hausnummer 24) unter anderem ein Kolonialwarengeschäft, ein Zigarren- und Schreibwarengeschäft und eine Versicherungsgeneralagentur.

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    Von der Gründung des Bezirksvereins Martinsviertel im Februar 1894 bis 1931 war er dessen 1. Vorsitzender. Von 1896 bis 1913 war er zudem Mitglied der Darmstädter Stadtverordnetenversammlung. Er vertrat dort den „Ausschuß der Vereinigten Bezirks-Vereine“. Damals hatte fast jedes Darmstädter Stadtviertel einen eigenen Bezirksverein.

    Neben unzähligen weiteren Ehrenämtern war er auch Kirchenvorstandsmitglied in der Martinsgemeinde und Administrator der Regierungsrat May’schen Schulunterstützungsstiftung. 1931 ist er verstorben. Sein Nachfolger wurde der seitherige 2. Vorsitzende, Bürodirektor Leonhard Weber, der in der Kranichsteiner Straße 65 wohnte.

    Nur vier Jahre später, am 22. Januar 1935, besiegelten die Nationalsozialisten das Ende der Darmstädter Bezirksvereine durch die Zwangsvereinigung mit dem Verkehrs- und Verschönerungsverein.

    Im November 1951 war, im Rahmen der Einweihung der Martinskirche nach dem Wiederaufbau, im Martinsviertel mit großem Erfolg die erste Martinskerb nach dem Krieg gefeiert worden. Dieses Fest wollten die Organisatoren der Kerb als jährliche Veranstaltung etablieren. Aus diesem Anlass wurde der Bezirksverein Martinsviertel wenige Monate später wiedergegründet. Vereinszweck sollte aber vor allem das gemeinsame Eintreten für die Belange des Viertels sein. Die „alte segensreiche Tradition“ des 1894 von Kaufmann Heinrich Möser gegründeten Bezirksvereins Martinsviertel sollte fortgesetzt werden.

    Der Hahne-Schorsch wurde zum Ersten Vorsitzenden gewählt, Heinrich Hummel zu seinem Stellvertreter. Die Gründungsmitglieder des BVM waren überwiegend Gastwirte, Bauern und Gewerbetreibende.

    Georg Hahn forderte die Bewohner des Martinsviertels auf, dem Verein zahlreich beizutreten, denn „nur in der Stärke liegt unsere Kraft“. Schon bald engagierten sich im Verein Menschen aller Bevölkerungsschichten. Bereits ein halbes Jahr nach Gründung hatte er 100 Mitglieder, nach einem Jahr 150. Nachdem die Mitgliederzahl über Jahrzehnte zwischen 300 und 400 schwankte, hat sie vor einigen Jahren die 500er-Grenze überschritten.

    Auf Georg Hahn folgten die Vorsitzenden Heinrich Hummel, Georg Schütz, Heiner Lehr (von 1963 - 1983), Rudi Winkler, Stefan Baltes, Hans-Peter „Pezi“ Peter (von 2000 – 2016), Michael „Chappi“ Schardt (2016 - 2023) und Sabine Deitrich-Büttel (seit 2023).
     
    Ehrenmitglieder des BVM sind Georg Hahn (Hahne-Schorsch), Heiner Lehr und seit 2017 auch Hans-Peter "Pezi" Peter, Werner Seibel seit 2018 und Peter Schmidt seit 2022.
     
    Vom Bezirksverein kamen und kommen Denkanstöße zur Weiterentwicklung des Stadtteils in städtebaulicher und sozialer Hinsicht, zur Gestaltung des öffentlichen Raums und zur Erhaltung der einzigartigen Atmosphäre des Viertels, die immer wieder durch unsensible Planungen gefährdet wurde bzw. wird. Hierbei ist seit über 20 Jahren die Vereinszeitschrift „Der Watzeverdler“, die auch in Läden und Gaststätten des Viertels ausliegt, ein wichtiges Medium.

    Neben der Martinskerb organisiert der Verein zudem unter anderem seit Jahrzehnten den Bürgerschoppen an der vereinseigenen Grillhütte und den beliebten Flohmarkt im Bürgerpark Nord, Veranstaltungen für Kinder und alte Menschen und nicht zuletzt seit 1976 die erste und älteste europäische Verschwisterung auf Stadtteilebene zwischen dem Darmstädter Martinsviertel und dem Quartier St. Martin de Troyes in Frankreich.

    Vieles hat sich in den letzten 120 Jahren geändert und mit der Gesellschaft und dem Stadtteil entwickelt sich auch der BVM beständig weiter, aber die Förderung des Zusammenhalts und die faire und sachliche Wahrung der Interessen der Watzeverdler waren und bleiben Hauptaufgabe des Bezirksvereins Martinsviertel.

    Armin Schwarm